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Interview Ullrich Eitel zum Firmenjubiläum MARBURG

"Neue Technik bietet eine neue Dimension"

Ullrich Eitel, geschäftsführender Gesellschafter der Marburger Tapetenfabrik, und Constanze Eitel, seine älteste Tochter. In dem familiengeführten Unternehmen ist nun bereits die sechste Generation aktiv. (Foto: marburg)


175 Jahre marburg: Wie der Tapetenhersteller Gegenwart und Zukunft gestaltet

Johann Bertram Schaefer hat die Marburger Tapetenfabrik 1845 gegründet, 175 Jahre später feiert das Familienunternehmen die in der Branche seltene Zahl. Ein großes Event kann es aufgrund der Covid 19-Pandemie nicht geben, dafür lädt marburg an mehreren Tagen im November Kunden, Partner und Freunde des Hauses unter strengen Hygieneauflagen an den Firmensitz im mittelhessischen Kirchhain. Mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Marburger Tapetenfabrik, Ullrich Eitel, und seiner ältesten Tochter Constanze Eitel, die im Unternehmen in der sechsten Generation arbeitet, sprach eurodecor-Redakteur Alexander Radziwill. Es gibt zwar keine zentrale Feier, aber einzelne Termine. Was erwartet die Besucher bei Ihnen? Mehr Rückblick oder mehr Ausblick? Oder von allem etwas? Ullrich Eitel: Es gibt von allem etwas. Wir werden in die Vergangenheit schauen und auch in die Zukunft blicken. 175 ist ja nun auch ein Anlass, bei dem es sich lohnt, Bilanz zu ziehen. Und die sieht für die Marburger Tapetenfabrik sehr positiv aus. Ich führe das zurück auf die Akzeptanz im Markt, auf die Präsenz und das stetige Wachstum in den vergangenen fünfzig Jahren. Da gab es natürlich auch mal Rückschläge. Aber dadurch, dass wir sehr innovativ unterwegs sind und bei jeder maßgeblichen Produktentwicklung dabei waren oder diese angestoßen haben, besteht eine Akzeptanz bei unseren Kunden, bei unseren Lieferanten, in der Branche und auch bei unseren Mitbewerbern. Und diese Akzeptanz bestätigt uns als Innovationsführer. Wobei nicht jede Innovation gleich der große Wurf sein kann. Ich denke da zum Beispiel an die Entwicklung Tapete und Licht. Damit konnten wir unsere Kunden zuletzt auf der diesjährigen Heimtextil begeistern, aber auch das war kein Selbstläufer. Ohne Seminare und handwerkliche Einweisung war das, bedingt durch Corona, zunächst schwer zu kommunizieren. Ich bin aber überzeugt, dass wir das durch den Einsatz der Videotechnik im zweiten Schritt schaffen werden. Corona betrifft die gesamte Branche. Bei marburg gab es zwischenzeitlich Kurzarbeit und die Produktion ruhte sogar eine Weile. Wie sieht die Situation im Moment aus? Ullrich Eitel: Wir hatten im Frühjahr Kurzarbeit, bedingt durch Corona. Im März/April sind wir ziemlich runtergefahren, konnten dann aber ab Juni wieder Vollgas geben. Der Markt war ja in einigen Ländern einfach geschlossen, und das merkten wir natürlich. Frankreich, Russland und andere Märkte fielen komplett aus. Das hat sich inzwischen erholt. Wir haben das Niveau des vorangegangenen Jahres mehr oder weniger wieder aufgeholt und wir schließen 2020 mit einem leichten Plus ab. Die Tapete profitiert von Corona. Wer heute zu Hause ist, bedingt durch Kurzarbeit, wer nicht oder nur beschränkt reisen kann, wendet sich den eigenen vier Wänden zu. Schauen Sie sich auch die Zuwächse im Online-Handel an. Tapete ist ein begehrtes Gut im Wohnbereich. Jetzt wird vieles gemacht, was man sonst vor sich hergeschoben hat. Hat das auch mit der „Deutschland tape­ziert“-Kampagne zu tun? Sie waren ja immer einer der Befürworter der Idee. Ullrich Eitel: Die Kampagne kam zur rich­tigen Zeit und verstärkt den Trend. Ob der Trend durch die Kampagne entstanden ist oder durch Corona, möchte ich nicht kommentieren. Wichtig daran ist, dass der Schub vergrößert wird. Neben Ihnen, Frau Eitel, arbeiten auch ihre Geschwister Katharina und Paul in sechster Generation im Unternehmen. Wer Geschwister hat, weiß, dass die in der Regel sehr verschieden sind und jeweils unterschiedliche Interessen und Neigungen haben. Haben Sie untereinander bereits abgemacht, wer welche Bereiche übernimmt? Constanze Eitel: Ich bin erst seit Juni fest im Betrieb. Davor habe ich die keimEx-Tapete betreut – ein antibakterieller Wandbelag zur Bekämpfung und Reduktion von Keimen und Bakterien. Seit Juli bin ich für den Handel in Österreich und Bayern zuständig und beschäftige mich zudem verstärkt mit Digitaldruck­tapete. Diese Position habe ich von meiner Schwester Katharina übernommen, die derzeit im Mutterschutz ist. War von Anfang an klar, dass eines der Kinder, dass zwei oder sogar alle drei später im Unternehmen arbeiten würden? Constanze Eitel: Bei meiner Schwester und meinem Bruder war das so, bei mir zunächst gar nicht. Ich war im Einzelhandel für Reit­bedarfsartikel tätig, bin nun aber – bedingt durch das Enkelkind und auch durch Corona – auch eingestiegen. Ullrich Eitel: Mein Sohn Paul hatte schon als kleiner Junge eine große Affinität zum Unternehmen. Diese Begeisterung hat sich früh gezeigt und hält bis heute. Er studiert derzeit in München Betriebswirtschaft und wird nach Ende des Studiums umfassender in die Firma eintreten. Gibt es einen festen Termin, wann der Ge­nerationswechsel stattfindet oder ist ein fließender Übergang geplant? Ullrich Eitel: Der feste Tag ist noch nicht benannt, aber irgendwann werde ich sagen: Jetzt ist Schluss. Ich bin schon 72, aber topfit. Aber irgendwann muss ich mich zurücknehmen; das ist der normale Gang der Dinge. Die Heimtextil im Januar findet nicht statt. Wären Sie ansonsten mit dabei gewesen? Ullrich Eitel: Wir haben im August die Entscheidung getroffen, nicht auszustellen. Da war für uns klar, dass die Messe aufgrund von Corona nicht stattfinden kann. Und so ist es dann ja auch gekommen. Jetzt gibt es ja einen neuen Termin für die Heimtextil im Mai. Ändert das etwas? Ullrich Eitel: Ich bin skeptisch. Ich denke auch nicht, dass der Termin realisiert werden kann. Es wird in Zukunft wohl mehr in virtuelle Messen gehen. Wir werden uns erst zu einem sehr späten Zeitpunkt für oder gegen eine Teilnahme im Mai entscheiden. Im Moment sehe ich da keine Veranlassung, sich aus dem Fenster zu lehnen. In der Branche wird viel darüber gesprochen, wie Messe und wie das, was sie bietet, virtuell umgesetzt werden könnte. Ideen und auch Konzepte existieren bereits. Aber kann man ein ja auch haptisch erlebbares Produkt wie Tapete so adäquat präsentieren? Ullrich Eitel: Wer hätte geglaubt, dass sich das Internetbusiness auch für Tapete so entwickelt wie zuletzt? Wir sehen da Zuwächse von hundert Prozent und mehr. Wer hätte gedacht, dass ein optisch und haptisch wahrgenommenes Produkt sich über das Internet würde verkaufen lassen? Das ist aber der Fall. Handel und Kommunikation über das Internet werden zunehmen, gerade auch in Zeiten, in denen weniger gereist werden kann. Auch bei Tapete wird es zunehmend Wege geben, die Kunden virtuell zu erreichen. Wird es auf lange Sicht darum auch einen eigenen marburg-webshop geben, in dem Endverbraucher bestellen können? Oder wird das weiterhin über den Raumausstatter, den Maler und die Großfläche laufen? Ullrich Eitel: Wir verkaufen nicht im Internet. Wir unterstützen unsere Kunden, indem wir Ihnen die Materialien liefern. Aber einen direkten Verkauf gibt es nicht. Der Verkauf läuft auch weiter ausschließlich über unsere Kunden, und wir haben nicht vor, hier mit einem webshop tätig zu werden. Zu sehen gibt es die Neuheiten zunächst also bei Ihnen in Kirchhain. Was gibt es denn Neues? Ullrich Eitel: Wir haben neue Kollektionen und werden unseren Kunden Neuheiten zeigen. Zum einen ist das die Schöner Wohnen-Kollektion. Wir haben übrigens schon vor rund vierzig Jahren mit Schöner Wohnen zusammengearbeitet und Kollektionen herausge­geben, mit Stoff und Tapete. Nun also folgt unsere zweite Schöner Wohnen-Kollektion. Ansonsten haben wir eine Heißprägekollektion; außerdem gibt es eine neue Crush-Kollektion und eine neue Digitaldruck-Kollektion. marburg ist seit langem bekannt für die Zusammenarbeit mit Künstlern, Designern und Architekten wie Zaha Hadid, Ulf Moritz, Karim Rashid und vielen anderen. Auch Kooperationen mit TV-Promis wie Harald Glööckler haben eine Tradition bei marburg. Ist hier eine neue Kooperation absehbar? Ullrich Eitel: Wir blicken im Rahmen der 175 Jahre auf diese Zusammenarbeiten zurück. Begonnen hat das 1972 mit der x-art Kollektion. Meine Eltern haben Künstler angesprochen, die später zu großer Blüte aufstreben sollten. Ich denke da an die Dokumenta in Kassel 1972, an Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely, Allen Jones und viele andere. Wir haben immer wieder daran angeknüpft und bedeutende Persönlichkeiten für uns gewinnen können. Die Idee, mit Künstlern oder Testimonials zu arbeiten, hat sich in der Branche längst etabliert. Wir sind da weiter auf der Suche nach geeigneten Namen. Gerhard Richter war leider für eine Kollektion mit uns nicht zu gewinnen, obwohl das eine tolle Sache gewesen wäre. Sein Konzept wäre für Tapete ganz hervorragend geeignet gewesen. Mit unserer Digitaldrucktechnik hätten wir das extrem gut realisieren können. Stichwort Digitaldruck: marburg stand immer auch für technische Innovationen wie zum Beispiel die Textiltapete, die abziehbare und überstreichbare Strukturtapete, elektromagnetisch abschirmende Wandbeläge oder auch Art Luminiere, die Synthese von Tapete und Licht. Welche Innovationen sind da aktuell in der Pipeline? Ullrich Eitel: Wir haben zuletzt keimEx entwickelt, die antibakterielle Tapete, die mein Sohn und ich im Rahmen der Fernsehserie „Die Höhle der Löwen“ vorgestellt haben. Eine andere Entwicklung ist die Digitaldrucktechnik. Seit 1875 hat uns der Leimdruck begleitet, der durch Flexodruck, Tiefdruck, später durch Siebdruck abgelöst wurde. Digitaldruck ist die nächste Revolution. Da sind wir führend, auch weil wir sehr früh damit begonnen haben. Unsere neueste Digitaldruckmaschine, ein Prototyp, ist so schnell wie eine herkömmliche Druckmaschine, deswegen spreche ich gern von „Digitaldruck in Rotation“, obwohl hier der Rapport unendlich ist. Diese neue Technik bietet eine neue Dimension. Damit bieten wir jetzt die zwei Kollektionen an. Die Gruppe nennt sich „smart art“, die Kollektionen heißen „smart art Aspiration“ und „smart art easy“. Wir beobachten ja eine Wiederkehr der ­Fototapete. Was früher der berühmte Sandstrand war, ist heute das großformatige Motiv an einer Wand. Geht das in diese Richtung? Ullrich Eitel: Das ist, was ich meine: Großmotive in Digitaldrucktechnik. Wir sehen da heute ein komplett neues Metier, wo Wandbilder in Unis oder korrespondierende Tapeten übergehen. Verfasser: Alexander Radziwill


Dieser Homepage-Artikel ist der zweite in einer ganzen Reihe/Serie von Berichten zu MARBURG und der Ehrung von U.Eitel auf dem Jubiläums-Landesverbandstag 2023 in Frankfurt am Main. Trotz des etwas älteren Datums und teilweise bereits überholter Inhalte ist dieses Interview nach unserer Meinung ein sehr persönliches Bild von der Person U.Eitel ...

Der Artikel/Bericht erschien zuerst in der eurodecor-Printausgabe 11/2020 und anschl. Online.



Danke für die Überlassung von Text/Fotos mit freundlicher Genehmigung von Alexander Radziwill / EURODECOR / Meininger-Verlag


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